Junge untersucht ein altes Flugzeug

Neugier: Zieht sich durch die Trinitatis-Zeit

Bild: Pexels / Dominika Roseclay

Trinitatis

Jenseits des Wissens

Im Zentrum des christlichen Glaubens steht ein geheimnisvoller Gott. Die Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und heiligem Geist ist ein Geheimnis, das sich nicht mit dem Verstand auflösen lässt. Aber sie ist auch Ausdruck eines Gottes, der sich auf ganz unterschiedliche Weise erfahrbar macht.

Von allen Worten, die Martin Luther der deutschen Sprache geschenkt hat, ist das „Geheimnis“ vielleicht eine der schönsten Schöpfungen. Luther wollte den Begriff des „Mysteriums“ in ein konkret fassbares Bild übertragen und übersetzte es mit „anvertraut, zum Haus gehörig“. Die Dreieinigkeit, um die es beim Kirchentag Epiphanias geht, ist ein solches Mysterium des Glaubens. Im Zentrum des christlichen Glaubens steht ein Gott, der sich in einer Dreiheit aus Vater, Sohn und heiligem Geist offenbart. Der zugleich Schöpfer der Welt ist, als historische Person auf der Erde gelebt hat und sich außerdem als spirituelle Quelle jedem offenbart, der zu ihm betet.

Umfrage

Sollte ein zeitgemäßer Glaube Mysterien haben?

Wir leben in einer Zeit, in der sich das menschliche Wissen exponentiell vermehrt. Durch die digitale Revolution des Internets können wir prinzipiell jederzeit und überall erfahren, was uns interessiert. Während etwa die Welt des Mittelalters eine mystische war, in der jeder Baum eine Seele hatte und jeder Ort das Geheimnis der Vergangenheit atmete, gehen wir als postmoderne Menschen fest davon aus, dass sich alles mit dem Verstand erschließen lässt und sich auch die letzten dunklen Flecken auf den Wissenskarten irgendwann erhellen werden. Luthers schöne Begriffsfindung hat in der Wissensgesellschaft also keinen guten Ruf – wir assoziieren damit vielleicht die dunklen Machenschaften von Unternehmen, die von mutigen Whistleblowern aufgedeckt werden. Aber mit der befreienden Botschaft des christlichen Glaubens ist das Geheimnis schwer zusammenzudenken.

Die Geheimnisse des Glaubens sind jedoch keine Geheimnisse des Wissens. Sie sind nichts, das man überwinden kann, wenn man nur richtig nachdenkt. Nichts, das sich auflöst, wenn man es einmal verstanden hat. Der katholische Theologe Karl Rahner hat es sehr treffend formuliert: Je mehr man über diese Geheimnisse nachdenkt, desto tiefer dringt man in sie ein. Im dreieinigen Gott öffnet sich ein Raum für dieses Nachdenken. Wir können diesen Raum nicht mit unserem Verstand ermessen, aber wir können in ihn eintreten, indem wir etwa beten oder meditieren. Auch die Erlebnisse, die wir nicht einordnen können, weil sie uns existentiell berühren, haben hier ihren Platz.

Als sich in den 70er Jahren die Bewegung der Freiheitstheologen formierte, um von den Slums in Brasilien aus die ganze Glaubenswelt zu berühren, erlebte die Trinitatis übrigens eine ganz konkrete Auslegung. Der lateinamerikanische Theologe Leonardo Boff sah im gleichberechtigtem Nebeneinander von Vater, Sohn und heiligem Geist eine Allegorie für eine Gesellschaft ohne Machtmissbrauch: „Die Diktatoren und Tyrannen können aus dem dreieinigen Gott niemals Gründe beziehen, die ihre absolutistische Anmaßung rechtfertigen."

01.07.2014
Kerygma